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Coworking als zentrale Komponente der Digitalen Transformation

Ein Gastbeitrag von Claudia Limbrock

15. August 2023

„Was will die Pflanzenbude mit Coworking?" 
Diese Frage mussten wir uns tatsächlich stellen lassen, als wir bzw. das Unternehmen Berief Food in Beckum im August 2020 den Coworking Space „Work LnB“ gegründet hat.

Foto: Work LnB

Vielleicht ist es etwas ungewöhnlich, dass ein mittelständisches Familienunternehmen einen Coworking Space betreibt, und zwar nicht, weil zufällig freie Flächen am Standort verfügbar waren - es wurde extra ein Ladenlokal in der Innenstadt angemietet und eine Stelle geschaffen, die sich um das Community Management und den Betrieb kümmert.

Kurz zum Hintergrund von Berief: Gegründet 1985, hat sich das Familienunternehmen zum Experten in der Produktion von pflanzlichen Produkten in Bio-Qualität mit mittlerweile über 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt. Heute fertigt Berief in zwei Werken am Standort in Beckum im Münsterland und bieten neben einer Vielzahl an pflanzlichen Drinks auch Tofu-Variationen und Gurth-Produkte.

Was haben pflanzliche Produkte jetzt also mit Coworking zu tun?

In den Jahren 2016/17 hat sich Berief im Rahmen seiner strategischen Ausrichtung dazu entschlossen, sich intensiv mit dem Thema Digitale Transformation auseinander zu setzen.

Dieser äußerst komplexe Prozess umfasst neben der technischen und strategischen vor allem eine kulturelle Ebene, und somit war klar, dass die erforderlichen Veränderungen im Unternehmen dabei tief in die bestehende Organisation, ihre Strukturen und die Wertschöpfung eingreifen. Daraus entstanden ist das Team „Digitale Transformation“. Es bewertet Chancen und Risiken der Digitalisierung, und wirkt steuernd und beratend im ganzen Unternehmen und entwickelt eine Digitalisierungsstrategie.

Das in den letzten Jahren stark gewachsene Team betrachtet das Thema - wie gesagt - in dem Dreiklang Technologien, Prozesse und Kultur. Das bedeutet: 

Technologien: wir schauen uns digitale Entwicklungen, Produkte und Dienstleistungen an und bewerten sie für uns 
Prozesse: wir schauen uns Geschäfts- und Entwicklungsprozesse an hinsichtlich Optimierungspotentiale 
Kultur: wir schauen uns an, wie wir zukünftig miteinander arbeiten und kommunizieren wollen 

Berief hat also viele Herausforderungen für sich erkannt, die im großen Umfeld der Digitalisierungsstrategie bewältigt werden müssen, und tatsächlich stand der Kulturwandel im Mittelpunkt, um von einer Manufaktur zur Industrie zu kommen.

Für Berief ist die Digitale Transformation dann erfolgreich, wenn das Unternehmen es schrittweise aus dem Inneren heraus schafft, eine lernende, zukunftsfähige Organisation zu werden. Durch neue Technologien entstehen für alle Mitarbeitenden immer wieder neue und veränderte Job-Anforderungen und somit auch die Notwendigkeit für alle Beteiligten Wege zu finden, mit dem digitalen Wandel umzugehen. Deshalb ist vor allem der Aspekt des „Lifelong Learning“ wichtig. Hier stellt sich die Frage: Wie kann im Unternehmen die Motivation, die „Lust“ auf Dazu-Lernen, unterstützt und gefördert werden?

Um in dieses neue Mindset, in diese neue Haltung zu kommen, haben wir bei Berief für uns festgestellt, dass wir dafür einen Ort brauchen, um aus dem „normalen“ Arbeitsalltag auszubrechen, um anders zu denken. Ganz praktisch: um kreative Projektarbeit vom Standard-Tagesgeschäft zu trennen. Ein verändertes Umfeld ermöglicht ein verändertes Verhalten, was wiederum ein verändertes Mindset ermöglicht.

Wir suchten also einen „externen Trigger“, was in diesem Fall eben ein anderes Umfeld bedeutet, um in ein neues Verhalten zu kommen.

Damit betreten wir bei Berief natürlich Neuland für das Unternehmen, wir wollen ausprobieren, was für uns funktioniert und was nicht. Beim Dazu-Lernen werden auch mal Fehler gemacht, und hierfür ist die Voraussetzung für eine offene Fehlerkultur unabdingbar. Für diesen neuen Weg brauchen die Beteiligten einen „Safe Space“, eine Umgebung, in der Neues geübt und getestet werden kann ohne Angst vor negativen Auswirkungen auf die einzelne Person.  

Sobald wir uns diese genannten Punkte klar gemacht hatten, kam ziemlich schnell der Gedanke an einen Coworking Space auf. Wir wussten bereits: hier trifft man andere Leute, Unternehmen, Start-Ups und Selbständige, die Einrichtung ist „New-Work“ geeignet.

Gehen wir mit einem Team nach Berlin, Köln oder (weil näher) Münster, um dort schon von einer vorhandenen Infrastruktur zu profitieren?

So schnell der Gedanke aufkam, so schnell war er auch wieder verworfen. Unsere Unternehmenswerte sind u.a. Regionalität und Nachhaltigkeit, und das soll sich wirklich in allen Bereichen zeigen. Zusätzlich haben wir bei Berief den Anspruch an uns selbst, Verantwortung zu übernehmen und die Digitalisierung in unserer Region mit weiterzuentwickeln.

Es ist aber auch klar, dass dieses Unterfangen nur in Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren möglich ist und davon alle gleichermaßen profitieren können und sollen. In Partnerschaft mit verschiedenen Stakeholdern soll zum einen Wissen aufgebaut und ausgetauscht werden, zum anderen aber auch konkrete Lösungen erarbeitet werden.

Ein weiterer Punkt, der nicht zu unterschätzen ist: Auch die Erwartungen an Berief als Arbeitgeber steigen bzw. haben sich verändert. Das Team „Digitale Transformation“ ist stark gewachsen, verändert sich ständig, passt die eigenen Arbeitsprozesse an, neue Felder sind dazu gekommen bzw. wurden vergrößert: im IT-Bereich, in der Software-Entwicklung, im Bereich Business Analyst und Data Science. Hier ergeben sich gewisse Erwartungen an den Arbeitgeber und an den Arbeitsplatz. Stichworte sind hier u.a. Work-Life-Balance und eigenständiges Arbeiten in einem inspirierenden Umfeld. Es braucht einen Ort, der einfach da sein muss, um Anforderungen der Arbeitnehmer:innen gerecht zu werden.

Aus diesen Ansprüchen heraus – kultureller Wandel nach innen und Treiber der Digitalisierung nach außen, basierend auf den Unternehmenswerten – entstand die Idee zur Gründung eines eigenen Coworking Spaces.

Mit dem „Work LnB“ wurde im Jahr 2020 ein physischer Ort in der Stadt geschaffen, der als “Anlaufstelle” und Kristallisationspunkt für den themenbezogenen Austausch dienen kann, ein Ort, an dem Theorie und Praxis digitalisierter Arbeitswelten zusammenkommen.

Auf aktuell knapp über 300 qm befinden sich:

- der Open Space (Offener Arbeitsplatz) mit ca. 18 flexiblen Arbeitsplätzen auf 115 qm, der ebenfalls für Veranstaltungen genutzt werden kann
- zwei Meetingräume
- zwei separate Büros
- Küche und Aufenthaltsraum

Grundsätzlich sind offene Arbeits- und Kommunikationsbereiche, welche die Kommunikation, Kollaboration und Wissensaustausch unter den Nutzenden fördern, entscheidende Gestaltungsmerkmale des „Work LnB“.

Den Mitarbeitenden von Berief steht zwar ausreichend Platz im Verwaltungsgebäude zur Verfügung, viele kommen aber regelmäßig im Coworking Space vorbei. Sei es, um neben externen Coworkern im Open Space zu arbeiten, oder um sich mit Kolleg:innen zu Meetings, Seminaren oder Workshops zu treffen.

„Die räumliche Trennung von Daily Business und Projekt- /Innovationsthemen hilft uns zu fokussieren und auf Veränderungen einlassen. Mit dem Wechsel in eine andere Umgebung kommen wir auch in andere Denkweisen, abseits von gelernten Mustern.“, so die Aussage von einem Mitglied aus dem Projektteam Industrie 4.0 bei Berief.

Auch wenn es nicht für alle Mitarbeitenden möglich ist, regelmäßig im Coworking Space zu arbeiten – indirekt profitieren sie bzw. das ganze Unternehmen: der digitale Wandel wird durch die anderen vorangetrieben. Die Kolleg:innen tragen die neue Arbeitsweise, neue Ideen und Impulse in das Unternehmen hinein und leben diese vor. Sie sind sozusagen die Botschafter für den digitalen Wandel und können so auf natürliche Art für ihn werben und fördern, auch über Abteilungsgrenzen hinweg.

Und wie sieht es bei den anderen Coworkern aus?

Ohne Zutun hat es sich seit Eröffnung ergeben, dass die meisten „externen“ Coworker Angestellte sind – also keine Selbständige oder Start Ups.

Ein Coworker der ersten Stunde, ein CDO in einem Konzern, arbeitet regelmäßig vom Work LnB aus und sagt: „Der Austausch mit anderen Unternehmen hat meinem Team geholfen, einen Blick auf andere Branchen, Arbeitsweisen und Problemstellungen zu bekommen. Dadurch haben sich für uns neue Möglichkeiten, Chancen und Impulse zur Veränderung und Weiterentwicklung gegeben.“

Das Work LnB will diesen Netzwerkgedanken fokussieren – die Bildung, Erhaltung und Nutzung einer regionalen Community, und zwar für alle Partner und Mitglieder, um zahlreiche Partnerschaften zu ermöglichen.

Regelmäßige Formate oder Netzwerk-Events für Mitglieder und externe Teilnehmer verstärken den Vernetzungscharakter. Sie unterstützen den (Wissens-) Austausch und die Vernetzung sowohl branchenintern als auch interdisziplinär.

Zu nennen sind hier beispielsweise
- IT-Netzwerktreffen „We!LAN“: regelmäßiges Treffen von IT-Expert*innen, im Netzwerk sind aktuell über 40 Mitglieder aus über 20 Unternehmen aus der Region
- Kick-Off-Treffen der Arbeitsgruppe Smart City
- Podcast zu Digitalisierungsthemen mit Gästen aus dem Netzwerk
- Workshop-Angebote

Wie sieht es aktuell nach drei Jahren Work LnB aus?

Die Digitale Transformation ist ein langfristiger Prozess, und bei Berief geht dieser Weg konsequent weiter. In einer Zeit, in der sich die Arbeitswelt stark verändert und flexible und kollaborative Ansätze gefragt sind, bietet der Coworking Space Work LnB für Berief eine geeignete Umgebung, um Neues auszuprobieren, digitale Themen zu fokussieren und den Kulturwandel so zu unterstützen. 

Es ist jedoch auch wichtig zu beachten, dass dieser Ansatz bestimmte Voraussetzungen mit sich bringt. Es bedarf eines klaren Commitments seitens des Managements, um sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter den Wert und die Vorteile des Coworkings verstehen und akzeptieren, und diesen Ansatz auch gegen Widerstände zu verteidigen. Es muss die Zeit gegeben werden, dass die Idee des Coworking sich etabliert und damit ein neues Mindset entsteht.

Und dies nicht nur intern: um in den gewünschten Austausch zu kommen, muss der Coworking Space auch in der Stadt und in der Region angenommen werden. Aus unserer bisherigen Erfahrung ist hierfür stetige „Lobbyarbeit“ für Coworking notwendig.

Durch die Förderung von Zusammenarbeit, Innovation und Vielfalt trägt Coworking dazu bei, eine positive und zukunftsorientierte Unternehmenskultur zu etablieren.

Wir sind uns sicher, dass ein derart professionelles Netzwerk unserer Region durch die Bündelung der Ressourcen, Netzwerke, Wissen und Infrastrukturen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen kann.

Vielen Dank an unsere Gastautorin:

Claudia Limbrock
Community Managerin
Berief Food GmbH

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