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Von Frauen inspirierte Orte, die Frauen inspirieren. Es geht um Empowerment und um Gemeinschaft.

NoMan'sLand - Coworking for Women only

11. Juli 2020

Räume mit Wohnzimmeratmosphäre, Samtsofas, riesige Schreibtische mit stylischen Lampen, farblich sortierte Bücherregale, Toiletten mit Beauty-Produkten, eigene Kinderbetreuung und starke Frauen wie Hillary Clinton zu Gast.

Ich erinnere mich nicht mehr genau, wann und wie ich zum ersten Mal von The Wing, dem Coworking Space in New York, nur für Frauen, hörte. Aber ich weiß noch, dass ich beim Blick auf die Fotos gleich dachte: Mega, da würde ich auch gern arbeiten. Für die:den eine*n mag das nach unnötigem Kram klingen, den niemand braucht. Für mich klang das nach einem überaus einladenden Ort. Denn so schön die Idee des Coworkings ist, unsere konkreten Umsetzungen davon sind doch auch eindimensional. Für meinen Geschmack ist es dort immer etwas karg und kühl. Immer fühle ich mich aufgefordert, tough zu sein oder zumindest so zu wirken. Und klar, ausreichend ist es allemal, aber wenn ich die Wahl hätte, fiele sie auf das Samtsofa. Kickern mochte ich außerdem auch noch nie.

Die Idee hinter The Wing ist nun aber nicht einfach schöner eingerichtete Coworking Spaces zu machen. Es geht um mehr: Weiblichkeit, Schwesternschaft und Empowerment.

The Wing’s mission is the professional, civic, social, and economic advancement of women through community.

Es geht darum, einen Ort zu erschaffen, der die Unterstützung und Förderung von Frauen in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens aktiv forciert. Damit möchte The Wing an die Tradition der amerikanischen Frauenclubs anschließen, die sich im 19. und 20. Jahrhundert in den USA formierten und von denen einige auch heute noch existieren. In diesen Clubs kamen Frauen zusammen, um sich auszutauschen, politisch zu diskutieren, sich zu positionieren und politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich aktiv zu werden.

Es ging und geht darum, Frauen zu ermächtigen, um aus der Gemeinschaft heraus zu machen und zu gestalten, und zwar eine Welt, die noch immer an zu vielen Stellen von und für weiße Männer gemacht wird.

Wie der Global Coworking Survey 2018 herausfand, sind zwar rund zwei Drittel aller in Coworking Spaces Beschäftigten Frauen, doch arbeiten diese eben für diese Orte. Dagegen: Nur etwa ein Drittel aller Coworking Spaces wurde auch von Frauen gegründet oder gehört ihnen. Ein großer Teil der Coworking Spaces ist also gegründet von Männern und, ob bewußt oder unbewußt, durch ihren Blick auf Arbeit, Miteinander etc. geprägt. Doch Frauen arbeiten anders, etablieren andere Formen des engagierten Miteinanders und leben andere normative Grundsätze. Und so ist es kaum radikal, sondern schlicht konsequent, Orte zu kreieren – von Frauen, für Frauen.

Gegründet wurde The Wing 2016 von Audrey Gelman und Lauren Kassan in New York City. Inzwischen hat The Wing 10 Standorte in den USA, einen in London und zwei weitere sind für Kanada in Planung. Selbst der New Yorker Coworking-Konkurrent WeWork, der weltweit in allen größeren Städten Coworking-Spaces vermietet, investierte 2017 32$ Millionen in das Projekt.

Jeder Wing Space ist ein Kosmos für sich und bei dem schönen Mobiliar, dem Lichtdesign und der farblich sortierten Bibliothek ist noch lange nicht Schluss. Kleine Telefonkabinen sind nach starken Frauenfiguren aus Filmen und Serien benannt, Mütter können den Kopf in die Arbeit stecken und den Nachwuchs in die hauseigene Kinderbetreuung geben. Jede The Wing Dependence verfügt mit The Perch über ein Restaurant mit hervorragender Küche, ganz ohne Kantinenmuff. Dazu kommen regelmäßige Members-Only-Veranstaltungen, bei denen Frauenikonen wie Hillary Clinton, Jennifer Lawrence, Oprah Winfrey, Produzentin Lena Dunham (Fangirl der ersten Stunde), die ehemalige Seniorberaterin des Weißen Hauses Valerie Jarrett oder die Spielerinnen der US-Frauenfußballnationalmannschaft Alex Morgan, Megan Rapinoe, Meghan Klingenberg und Becky Sauerbrunn sprechen, Erfahrungen teilen, ermutigen, inspirieren und so eine Atmosphäre des Empowerments erschaffen. Unter dem Etikett NoMan'sLand wird diese Atmosphäre zudem mit einem jährlichen Festival im Retreat- Stil sowie einem Print Magazin in die Welt außerhalb der The Wing Räume gebracht. Und weder Podcast, noch Merchandise brauchen lang, um treue Alltagsbegleiter*innen zu werden. Wer kann nicht mal hin und wieder den kraftvollen Reminder "Girls in 2020 do whatever the fuck they want" gebrauchen – und The Wing kann da liefern, egal ob als Schlüsselring oder Sweatshirt. Und nein, es geht nicht nur um Feelgood-Atmosphäre, sondern darum zu arbeiten, sich zu vernetzen oder Kontakte zu knüpfen. Aber eben mit Werten wie Unterstützung, Empowerment und Sisterhood.

Dass Audrey Gelman und Lauren Kassan damit einen Nerv getroffen haben zeigen nicht nur der wirtschaftliche Erfolg, sondern auch die weltweit stetig wachsende Fanbase, auch und gerade an Orten ohne einen The Wing Coworking Space. Doch klar ist (leider) auch, dass ein solches Projekt, geführt von zwei Frauen, mit Zahlen, die sich sehen lassen können, nicht ohne Kritik bleibt. Da ist zum Beispiel der Vorwurf, dass der Jahresbeitrag von mehr als 2000$ gerade Frauen aus ökonomisch benachteiligteren Umständen, die immens von einem solchen Ökosystem wie The Wing profitieren würden, ausschließt und exklusive und elitäre Strukturen fördert. Da gehört auch der Vorwurf dazu, dass man sich um eine Mitgliedschaft bei The Wing bewirbt und die Auswahlkriterien vollkommen intransparent sind. Da ist auch der Vorwurf des Ausverkaufs feministischer Werte und Anliegen und zugleich die Kritik am zu engen Fokus auf Frauen, der wiederum Personen, die sich der LGBTQ Community zugehörig fühlen, ausschließt. Man kann es mit diesen Kritikpunkten halten, wie man es möchte, aber unbestritten ist:

The Wing erregt die Gemüter und stößt ein ums andere Mal Debatten darüber an, wie wir arbeiten und auch, wie wir miteinander leben wollen.

Seit 2019 gibt es in London die erste europäische Dependence von The Wing und auch im norddeutschen Hamburg bewegt sich was. Dort haben Jessica Louis (neben vielem anderem Mitinitiatorin des Sister's March 2017), Onejiru Arfmann (Musikerin) und Kübra Gümüşay Initiatorin #SchauHin und #ausnahmslos) das eeden Hamburg gegründet– einen "co-creation space for visionary women". Auch hier geht es darum, in einer maskulin geprägten Welt und mit zunehmend frauen- und generell menschenfeindlichen Stimmungen in der Gesellschaft einen Ort zu schaffen, an dem Proteste, Initiativen, Petitionen gegen diese Entwicklungen formieren, verstetigen und wirksam werden können.

Dafür soll eeden einen Ort bieten.

Für die Idee und Initiation wurde das Team hinter eeden im November 2019 als Kultur- und Kreativpilot ausgezeichnet. Die Umbauarbeiten in einem ruhigen und versteckten Hinterhof mitten in Hamburgs Schanzenviertel laufen auf Hochtouren. Und ähnlich wie The Wing verfolgt das Team hinter eeden ein Designkonzept, das auf "Hochwertigkeit, Nachhaltigkeit und Funktionalität und avantgardistische Ästhetik setzt. Auch hier geht es nicht darum, Arbeitsplätze hübscher einzurichten. Es geht um mehr, viel mehr.

Von Frauen inspirierte Orte, die Frauen inspirieren. Es geht um Empowerment und um Gemeinschaft.

Die Idee der Gemeinschaft, die es für Umbrüche und Aufbrüche braucht, ist weder bei The Wing noch bei eeden etwas Neues. Doch so alt, so gut und vor allem: so machtvoll und ermächtigend ist die Idee der Gemeinschaft nach wie vor. Und so wichtig sind Orte wie The Wing oder eeden, an denen Gemeinschaft und Co-Creation möglich wird. Mit The Wing haben Audrey Gelman und Lauren Kassan bereits ein komplettes Ökosystem an Orten, Umgebungen, Events und, allem voran, einen Ethos geschaffen, das es Frauen ermöglicht, sich zu inspirieren, zu engagieren, zu kreieren. eeden steht kurz vor der offiziellen Eröffnung und ist ein weiterer wichtiger Schritt, um Frauen zu ermächtigen, die Welt in ihrem Sinn zu verändern und zu gestalten; eben zu machen „whatever the fuck they want“.

Und genau, das fängt an den Orten an, an denen Frauen arbeiten.

Update: Am 11. Juni 2020 verließen zahlreiche Mitarbeiter in einem kollektiven "online walk out" ihre Arbeitsplätze bei The Wing. Sie hatten zuvor monatelang ergebnislos versucht, das Management auf rassistische und misogyne Einstellungen seitens Vorgesetzter und Mitglieder aufmerksam zu machen. Es stand und steht weiterhin der Vorwurf im Raum, dass die Werte, die The Wing medienwirksam nach außen vertritt, nicht innerhalb des Unternehmens und für Mitarbeiterinnen gelten. Als Reaktion trat Audrey Gelman im Juni 2020 als CEO von The Wing zurück und bat im Oktober 2020 mit einer öffentlich gemachten Email an Flew the Coup, der Community ehemaliger Mitarbeiterinnen, um Entschuldigung für dieses Fehlverhalten. Das verbliebene Team um CFO Lauren Kasan arbeitet laut eigenem Statement an der Rekonfiguration von The Wing. Unabhängig von den konkreten Vorfällen halten wir von co:room das Thema all-female-Coworking weiterhin für ein zeigens- und diskutierenswertes Konzept.

Von Sylvie Rham

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